von Beatrix Hausner und Gina Waibel

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Die sozial-ökologische Transformation in Richtung Nachhaltigkeit, vor der wir stehen, wird die Genderverhältnisse verändern. Allerdings bedeutet ein Mehr an ökologischer Nachhaltigkeit nicht unbedingt mehr Gendergerechtigkeit. Das war der Ausgangspunkt für eine von der ÖGUT 2019 durchgeführte Studie im Rahmen der Initiative „Wachstum im Wandel“. Inhaltlich wurden Schwerpunkte auf die vier Bereiche Energie, Nachhaltiger Finanzmarkt, Soziale Unternehmen und Nachhaltige Landwirtschaft gelegt.

Wir haben uns schon daran gewöhnt, in einer Zeit des raschen Wandels zu leben. Die Pandemie macht daraus einen rasanten, ja sturzhaften Umbruch – vieles, das vor kurzem noch undenkbar war, wird nun zur neuen, wenn auch in Teilen vielleicht nur vorübergehenden Normalität. Das gibt einerseits Hoffnung in Bezug auf den vor uns liegenden notwendigen sozial-ökologischen Wandel.

Andererseits zeigt sich jetzt auch, wie rasch sich Ungleichheiten in Umbruchzeiten vergrößern können: Wer weniger Einkommen, Wohnraum, Bildung, Deutschkenntnisse und digitale Kompetenzen hat, ist von den Corona-Maßnahmen ungleich stärker betroffen. Wegfallende staatliche Strukturen der Kinderbetreuung fallen vor allem berufstätigen Frauen auf den Kopf, die plötzlich Büroarbeit, Schulbetreuung, Kochen und Hausarbeit unter einen Hut bringen müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Frauen in systemrelevanten Bereichen wie Handel oder Pflege arbeiten und dort durch Erwerbsarbeit weniger verdienen als Männer im Gesamtschnitt.

Es gilt daher: vor allem in Umbrüchen müssen wir die sozialen Ungleichheiten konsequent mitdenken, wenn diese nicht vergrößert werden sollen.

Ökologische Nachhaltigkeit kann Ungleichheiten verstärken

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Am Bereich Energie wurde schnell klar, wie stark ökologische Nachhaltigkeit Ungleichheiten reproduzieren und verstärken kann: So leben Frauen, insbesondere Alleinerziehende und Frauen im Pensionsalter, mit größerer Wahrscheinlichkeit als Männer in (Energie-)Armut. Dies behindert ihre Teilnahme an der Energiewende, da das Geld für Investitionen in Erneuerbare Energien fehlt. Was den Frauenanteil an Führungspositionen in der Energiewirtschaft betrifft, so ist dieser im Bereich der Erneuerbaren Energie sogar noch geringer als in der klassischen Energiebranche.

Auch in Bezug auf Energie-Genossenschaften (zum Beispiel gemeinschaftlich betriebene Photovoltaikanlagen) zeigt sich das altbekannte Bild: Es war erwartet worden, dass sich Frauen stärker an solchen partizipativen Energieversorgungs-Modellen beteiligen würden, schließlich werden sie landläufig ja als teamfähiger und kommunikativer gesehen. Doch diese Annahme hat sich nicht bestätigt. Eine PWC-Studie zeigt sogar, dass der Frauenanteil in Führungspositionen in Deutschland bei Energie-Genossenschaften nur bei vier Prozent liegt; bei Aktiengesellschaften sind es immerhin 14 Prozent. Einer der Gründe dafür: Es braucht Zeit, um sich in solchen Genossenschaften zu engagieren – und die steht Frauen seltener zur Verfügung als Männern.

Soziale Unternehmen in Österreich sind männlich geprägt

In Nordamerika und Europa sind Frauen als Gründerinnen von sozialen Unternehmen im Durchschnitt stärker repräsentiert als in kommerziellen. Dies gilt aber nicht für Österreich: Hier liegt der Anteil der weiblichen Unternehmens-Gründerinnen bei 36 Prozent (gegenüber 42 Prozent Gründerinnen über alle Unternehmen).

Auch im Bereich der Nachhaltigen Finanzen war erwartet worden, dass Frauen mehr und stärker nachhaltig investieren – und auch da erwies sich die Annahme als falsch: Die Entscheidungsmacht über finanzielle Investitionen in Österreich verläuft sehr stark entlang geschlechtlicher Linien. Frauen treffen zwar einen Großteil alltäglicher Finanzentscheidungen gemäß „traditioneller“ Rollen (z. B. Haushaltsausgaben), doch Männer entscheiden häufiger über große Investitionen und Kredite. Damit sind Frauen auch weniger mit nachhaltigen Finanzprodukten betraut.

Hoher Frauenanteil in der Landwirtschaft

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Was die Landwirtschaft betrifft, so gibt es in keinem anderen Staat der EU einen höheren Frauenanteil (41 %) als hierzulande, aber nur 22 % der Bäuerinnen erben einen Hof, zwei Drittel heiraten ein. Die Arbeitsteilung ist nach wie vor sehr traditionell: rund 2/3 der Arbeitszeit der Bäuerinnen entfallen auf Haushalt und Carearbeit, nur 1/3 auf Feld- und Stallarbeit. Auch die Institutionen und Strukturen in den Interessensvertretungen sind nicht geschlechtsneutral. In der Landwirtschaftskammer waren zur Zeit der Studie – bis auf eine – alle Spitzenpositionen mit Männern besetzt. Im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft zeigten einzelne Case-Studies, dass hier in Bezug auf Gender Veränderungen angestoßen werden. Es fehlen allerdings – wie so oft – Daten, um allgemein gültige Aussagen treffen zu können.

Sozial-ökologische Transformation muss Gender inkludieren – aber wie?

Eines zeigen alle Beispiele: Nur wer Genderunterschiede (und ebenfalls wichtige Unterschiede in Bezug auf Einkommen, Herkunft, Bildungshintergrund, Alter usw.) berücksichtigt, versteht auch die Mechanismen, die Menschen davon abhalten bzw. dazu motivieren, sich am Wandel in Richtung Nachhaltigkeit zu beteiligen. Einzelne Akteurinnen oder Akteure und auch Gruppen können Transformationsprozesse anstoßen, aber damit diese Prozesse dauerhaft wirksam werden können, braucht es das Zusammenspiel verschiedenster Bereiche (Wirtschaft, Verwaltung, Forschung etc.).

Eine Grundbedingung für eine gendergerechte sozial-ökologische Transformation ist somit die Inklusion von Frauen in allen von diesem Umbau betroffenen Bereichen. Dafür ist es unabdingbar, die Lebensrealitäten von Frauen und Männern zu verstehen und Geschlechterungleichheiten sichtbar zu machen. In vielen Bereichen gibt es die dafür erforderlichen Daten aber gar nicht. Alleine in den vier in dieser Studie betrachteten Bereichen Energie, Nachhaltiger Finanzmarkt, Soziale Unternehmen und Nachhaltige Landwirtschaft sind die Lücken enorm und nichts berechtigt zur Hoffnung, dass das in anderen Bereichen sehr viel anders wäre.

Wir brauchen Daten

Zwei Dinge wären daher zentral: Erstens müssen bestehende Datenerhebungsverfahren einer Gender-Analyse unterzogen werden. Zweitens braucht es in vielen Bereichen – so auch in den vier angesprochenen Schwerpunktbereichen – vertiefte, großangelegte Datenerhebungen und Studien. Damit sozial-ökologische Projekte Machtungleichgewichte nicht übersehen, verstärken oder gar erst schaffen, müssen sie Gender immer gemeinsam mit anderen Strukturkategorien wie Klasse, Alter, Herkunft oder Lebenssituationen betrachten.

Bessere Daten und die Berücksichtigung komplex verwobener Ungleichheiten sind entscheidend für das Gelingen der sozial-ökologischen Transformation selbst: Die ökologischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, können nur bewältigt werden, wenn wir auch die Normen des Wirtschaftens und des gesellschaftlichen Zusammenlebens neu denken. Und dafür müssen wir Gender, eine der wichtigsten gesellschaftlichen Strukturen, in sozial-ökologischen Prozessen berücksichtigen.

Detaillierte Informationen, Zahlen und Fakten sowie Case-Studies sind der Hintergrundstudie Gender & sozial-ökologische Transformation nachzulesen.

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