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Wertvolle Einblicke in die Praxis von berichtspflichtigen Unternehmen: Anlässlich ihres Beitrags „Mammutaufgabe EU-Taxonomie“ (BUSINESSART, 01/2024) führten die beiden ÖGUT-Expertinnen für Sustainable Finance, Katharina Muner-Sammer und Susanne Hasenhüttl, Interviews mit CSR, Nachhaltigkeits- und Umweltmanagerinnen, die wir ergänzend veröffentlichen.

„Wir haben es mit einer Verheiratung von Finanz- und Umweltkennzahlen zu tun, die in dieser Form davor noch nicht existiert haben“, erklärt Lydia Jarmer, CSR und Umweltmanagerin der Österreichischen Post AG die große Herausforderung bei der Umsetzung der EU-Taxonomie.

ÖGUT: Wie gehen Sie es an, die EU-Taxonomie in die Österreichische Post AG zu integrieren
Lydia Jarmer (Österreichische Post AG): Für die Umsetzung der Anforderungen der EU-Taxonomie an die Berichterstattung wurde 2021 ein interdisziplinares Projektteam aus den Bereichen CSR & Umweltmanagement, Investor Relations, Konzernrechnungswesen und Konzerncontrolling gebildet. Zusätzlich wurden laufend die Fachbereiche in die Projektarbeit einbezogen. 2021 wurde mit einer Analyse der Verordnungen begonnen und die Wirtschaftsaktivitäten der Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel analysiert. Parallel wurde die Definition der Kennzahlen Umsatz, CapEx und OpEx abgeleitet und Erhebungsmodelle für die Umsetzung in der Post hinsichtlich des Nenners und des Zählers der jeweiligen Kennzahl entwickelt. Die 2021 aufgestellten Definitionen und Modelle wurden 2022 beibehalten und um die Anforderungen zur Taxonomiekonformität ergänzt. 2023 wurden auch die neuen Umweltziele der Taxo4 auf ihre Anwendbarkeit geprüft.

Auf Basis der etablierten Modelle wird zentral die Berechnung des Nenners vorgenommen und für den Zähler Datenerhebungen bei den Fachabteilungen und Konzernunternehmen eingeleitet. Zusätzlich findet ein regelmäßiger Austausch mit anderen Finanzmarktteilnehmer*innen sowie internationalen Postgesellschaften im Rahmen von Arbeitsgruppen statt. Ziel war es, ein gemeinsames Verständnis der Anforderungen der EU-Taxonomie zu gewinnen und im Sinne der Vergleichbarkeit Auslegungsfragen zu diskutieren und Best-Practice-Lösungen zu erarbeiten.

Was sind dabei die größten Herausforderungen?
Die größten Herausforderungen waren die Neuartigkeit des Themas und der Zeitdruck. Wir haben es mit einer Verheiratung von Finanz- und Umweltkennzahlen zu tun, die in dieser Form davor nicht existiert haben. Die rechtlichen Vorgaben wurden im Sommer 2021 veröffentlicht, im Jahresabschluss 2021 musste bereits berichtet werden. Außerdem gibt es noch zu viele Interpretationsspielräume und offene Auslegungsfragen sowohl für die Berichterstattung – aber viel wichtiger noch – hinsichtlich Investitionsentscheidungen.

Die Taxonomie hat das Ziel, Investitionsentscheidungen in Richtung Nachhaltigkeit zu beeinflussen. Mit der herrschenden Rechtsunsicherheit hinsichtlich technischer Kriterien und dem Vorhandensein von relativen Vergleichswerten (wie z.B. „die besten am Markt verfügbaren Produkte“) sind große Investitionen mit entsprechenden Vorlaufzeiten mit einem erheblichen Risiko für Unternehmen behaftet.

Mit welchem Tool arbeiten Sie bei der Österreichischen Post AG?
Wir arbeiten für die Kennzahlenerhebung grundsätzlich mit unserem ERP-System. Wir erfassen dort sowohl die Finanz- als auch die ESG-Kennzahlen. Zusätzlich werden die Abfragen zur Taxonomie aktuell noch über gesonderte Erhebungsfragebögen eingesammelt.

In Bezug auf die Umsetzung der Taxonomie-Erfordernisse: Was braucht es (noch)? Was fehlt?
Wir brauchen einheitliche Definitionen und Interpretationen, um die Kennzahlen vergleichbar zu machen. Unserer Erfahrung nach gibt es hier teilweise noch sehr viele Unsicherheiten. Die FAQs der EU-Kommission sind dabei sehr hilfreich, aber decken noch nicht alle Themen ab.

Hinzu kommt, dass viele Branchen noch nicht von der Taxonomie erfasst sind und ein Vergleich der Kennzahlen über Branchen hinweg faktisch nicht möglich ist. Auch innerhalb einer Branche können Unternehmen nur sehr schwer miteinander verglichen werden, da doch Unterschiede in den Geschäftsbereichen bestehen. Eine reine Beschränkung auf die drei Taxonomie-Kennzahlen bei der Beurteilung eines Unternehmens ist daher aus unserer Sicht nicht ausreichend.

Welchen Tipp haben Sie für Unternehmen bei der Berücksichtigung der EU-Taxonomie?
Der wichtigste Tipp: Früh anfangen und ein entsprechendes interdisziplinäres Team bilden. Wichtig sind Personen mit Finanz- und Umweltwissen. Bei der Analyse der technischen Kriterien muss ggfs. auf das Detailwissen von Fachabteilungen zurückgegriffen werden. Auch das Risikomanagement (Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse) und Governance/Compliance-Abteilungen (Minimum Safeguards) müssen in das Projekt eingebunden werden.

Wie schätzen Sie den Nutzen der EU-Taxonomie ein, ihr Unternehmen (noch) nachhaltiger auszurichten?
Wir sind bereits durch den Umbau unseres Fuhrparkes in Richtung E-Mobilität und der Investition eine moderne Logistikinfrastruktur auf einem guten Weg in Richtung Nachhaltigkeit. Im Transportsektor war das Thema Dekarbonisierung schon lange ein großes Thema und so haben wir uns in der EU-Taxonomie gut wiedergefunden und uns in unseren Maßnahmen bestätigt gesehen.

Kritisch sehen wir allerdings, dass viele Nachhaltigkeitsleistungen durch einen 100%-Ansatz nicht entsprechend abgebildet werden. So ist ein Teil unserer E-Fahrzeuge nicht taxonomiekonform, weil die Reifen nicht den strengen Kriterien zu Abrollgeräusch und Energieeffizienz entsprechen. Dadurch werden sie genauso schlecht wie ein 15 Jahre altes Diesel-Fahrzeug bewertet. Hier würden wir uns eine bessere Möglichkeit zur Abstufung wünschen.

In Bezug auf die Finanzierung: Denken Sie, dass die Österreichische Post AG in Zukunft bessere Konditionen am Kapitalmarkt erhält bei einer hohen Taxonomie-Konformitätsquote?
Bisher schlägt sich die Taxonomie-Quote unseres Wissens noch nicht so stark in den Konditionen für Kreditvergaben nieder, hier bewegen wir uns (wenn überhaupt) in ganz niedrigen Bereichen der Basispunkte. Nach den Plänen der EU-Kommission soll sich das künftig ändern, daher gilt es hier ein besonderes Augenmerk darauf zu richten.

Das Gespräch mit Lydia Jarmer (Österreichsiche Post AG) führten die beiden ÖGUT-Expertinnen für Sustainable Finance, Katharina Muner-Sammer und Susanne Hasenhüttl. Hier können Sie den gesamten Beitrag in BUSINESSART 01/2024 lesen: „Mammutaufgabe EU-Taxonomie, Gespräche aus der Praxis“