Die Probleme, die unser lineares Wirtschaftssystem mit sich bringt, werden sich in den kommenden Jahren durch die stetige Zunahme der Weltbevölkerung sowie des globalen Wohlstands mehr und mehr zuspitzen. Ein Umdenken ist zwingend notwendig – die Kreislaufwirtschaft bietet einen Ausweg.

Produktlebenszyklus (Quelle: BMK/projektfabrik.at)

Im Gegensatz zur linearen Ökonomie, die im Wesentlichen aus Produzieren, Nutzen und anschließendem Wegwerfen von Gütern besteht, handelt es sich bei der Kreislaufwirtschaft um ein umfassendes Konzept mit dem Ziel, Ressourcen einzusparen. Damit werden die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen sichergestellt, Treibhausgase (und Schadstoffe) reduziert sowie der anthropogene Druck auf intakte Lebensräume verringert.

Die 10 R´s der Kreislaufwirtschaft: Refuse, Rethink, Reduce, Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose, Recycle, Recover.

Anders, als es der Name vermuten lässt, beschränkt sich das Konzept der Kreislaufwirtschaft nicht nur auf das bloße Rückführen von Abfällen in den Produktionskreislauf über den Weg des Recyclings. Vielmehr zielt es darauf ab, die Ressourcennutzung gesamter Wertschöpfungsketten ganzheitlich zu optimieren.

Strategien der Kreislaufwirtschaft hierarchisch gegliedert nach Priorität (Quelle: RLI 2015; verändert nach PBL)

Besonderes Potenzial zur Ressourcenschonung bergen dabei kreislauffähige Güter- und Dienstleistungskonzepte sowie die Implementierung von kreislauffähigem Produktdesign.

Prio 1: Refuse

Den effektivsten und zugleich herausforderndsten Weg zur Ressourceneinsparung stellt der Ansatz „Refuse“ dar, der auf das Überflüssigwerden von Produkten abzielt. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass das ressourcenschonendste Produkt jenes ist, das gar nicht erst produziert werden musste.

Aber wie kann damit Geld verdient werden? Beispielsweise durch die Erfindung eines radikal neuen Produkts, welches mehrere derzeit geläufige Produkte ersetzt und somit obsolet macht – das hat etwa das Smartphone geschafft, das durch seine Multifunktionalität viele Einzelgeräte wie beispielsweise Telefon, Kamera, Taschenrechner oder Kompass abgelöst hat.

Der alleinige Ersatz mehrerer Produkte durch ein völlig neues ist aber noch kein Beleg für dessen ökologische und ökonomische Sinnhaftigkeit. Ob ein solches Produkt auch wirklich nachhaltiger ist, als die alteingesessenen Alternativen, hängt von einer Vielzahl anderer Faktoren ab.

Worauf kommt es also an?

Ganz gleich, ob es sich nun um völlig neue oder bereits etablierte Güter handelt: Wesentliche Stellschrauben im System Kreislaufwirtschaft sind ein kreislauffähiges Produktdesign, eine ressourcenschonende Herstellung (Reduce) und eine lange Nutzungsdauer der einmal hergestellten Güter oder deren Teile. Bei letzterer wird in Abhängigkeit vom Zirkularitätsgrad zwischen Wiederverwendung (Reuse), Reparieren (Repair), Modernisierung (Refurbish) und Wiederverwendung einzelner Produktteile (Remanufacure und Repurpose) unterschieden.

Das bloße Wiederverwenden von gebrauchten Gütern ist mit einem viel geringeren Ressourcenaufwand verbunden als beispielsweise deren Modernisierung (bspw. digitale Nachrüstung analoger Produktionsanlagen), die mit mehr oder weniger großen Adaptionen einhergeht. Somit wird der Wiederverwendung auch eine höheres Zirkularitätslevel zugeschrieben.

In Wertschöpfungskreisläufen denken

Kreislauffähige Güter müssen also so konzipiert werden, dass sie ressourcenschonend hergestellt, möglichst lange verwendet und nach einer langen Nutzungsdauer effizient recycelt werden können. Dies erfordert ein völliges Umdenken im Produktdesign. Ist es derzeit noch gängige Praxis, mit der geplanten Obsoleszenz von Produkten deren Lebensdauer zu verkürzen, um den Konsum neuer Produkte anzuregen, verlangt die Kreislaufwirtschaft modulare, haltbare Produkte aus umweltfreundlichen Materialien, die sich leicht warten, reparieren und recyceln lassen.

Ein weiterer wichtiger Hebel zur Schonung von Ressourcen in einer kreislauforientierten Wirtschaft ist die Nutzungsintensivierung durch innovative Geschäftsmodelle (Rethink). Dazu zählen Leih- und Servicemodelle wie beispielsweise Car Sharing, aber auch die Erschließung neuer Geschäftsfelder durch die Nutzung noch ungenützter Reststoffströme (bspw. Start-Up Aeropowder: neuartige Materialien aus Federn der Geflügelindustrie)

Nachhaltige Wirtschaft ist mehr als nur Recycling

Vergleicht man das Recycling mit den oben genannten Ansätzen, wird schnell ersichtlich, warum es in punkto Ressourcenschonung unterlegen ist: Um aus Abfall Sekundärrohstoffe zu gewinnen und in weiterer Folge neue Güter erzeugen zu können, muss im Allgemeinen ein Vielfaches an Ressourcen aufgewendet werden, als dies beispielsweise bei Reparaturen der Fall ist.

Ein wesentlicher Vorteil des Recyclings ist jedoch die einfache Implementierbarkeit in unser derzeitiges Wirtschaftssystem. Im Vergleich dazu müssen für kreislauffähige Geschäftsmodelle und Ansätze zur Lebenszyklusverlängerung von Gütern erst neue Möglichkeiten gefunden werden, diese in unser Wirtschaftssystem einzubetten. Davor schrecken viele noch zurück – hier braucht es Anreize.  

Durch alleiniges Recycling von Produkten kann der Stoffkreislauf nie völlig geschlossen werden. Der Vermeidung von Abfall sollte folglich oberste Priorität eingeräumt werden.

Ganzheitliche, systemische Betrachtung ist notwendig

Um beurteilen zu können, ob eine konkrete Maßnahme wirklich effektiv zur Ressourcenschonung beiträgt, braucht es eine ganzheitliche, systemische Betrachtung. So könnten sich punktuelle Verbesserungen eines Systems an anderer Stelle negativ auswirken, etwa wenn man für eine ressourcenschonendere Produktion auf Verbundstoffe zurückgreift, die aber in weiterer Folge das Recycling erschweren. Damit kreislauffähiges Wirtschaften Sinn macht und sich in weiterer Folge durchsetzen kann, muss neben dem substanziellen Beitrag zur Umwelt- und Ressourcenschonung auch die betriebswirtschaftliche Rentabilität der Unternehmung gewährleistet und die Akzeptanz bei Konsument*innen vorhanden sein.

Ohne zielgerichtete Rahmenbedingungen werden Unternehmen, deren Güter oder Dienstleistungen all diese Kriterien erfüllen, es trotzdem schwer haben, sich langfristig am Markt durchzusetzen. Regulatorien zur Forcierung der Kreislaufwirtschaft auf nationaler Ebene helfen hier nur bedingt. Letztlich braucht es weltweit (oder zumindest europaweit) einheitliche Rahmenbedingungen, um die Entwicklung unseres gegenwärtigen Wirtschaftssystems hin zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen.

Beim „echten Preis“ gewinnen kreislauffähige Güter

Ein effektiver Ansatz wäre die Herstellung von Kostenwahrheit durch die Internalisierung externer Effekte etwa in Form der Pigou-Steuer. Güter bekommen so ihren „wahren“ Preis, indem die Kosten für die Nutzung bzw. Verschlechterung von derzeit kostenlosen, öffentlichen Gütern wie etwa saubere Luft oder Biodiversität in der Preisgestaltung eines Produkts berücksichtigt werden. Kreislauffähige Güter würden somit automatisch konkurrenzfähiger gegenüber ihren konventionellen Pendants.

Die Entzerrung von Güterpreisen ist notwendig, um die Attraktivität von nachhaltigen Gütern zu erhöhen.  Solange Umweltverschmutzung und Ressourcenverschwendung keine adäquaten Kostenfaktoren sind, entsteht für Unternehmen, die freiwillig nachhaltig wirtschaften, sehr oft ein massiver Wettbewerbsnachteil. Mit gesetzlichen Rahmenbedingungen, Förderungen, fiskalischen Anreizen sowie durch Bewusstseinsbildung bei Konsument*innen muss diese Schieflage ausgeglichen werden.

Kreislaufwirtschaft in Österreich

Die Kreislaufwirtschaft ist mit der Circular Economy Strategy und dem Circular Economy Action Plan sowie als Element des European Green Deal zur Transformation in eine klimaneutrale, ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft im Zentrum europäischer Politik angekommen. Auch auf nationaler Ebene wurden in den Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren eine Vielzahl an Politiken, Strategien und Förderprogrammen etabliert.

Auch in Österreich wird derzeit (wie im Regierungsprogramm 2020-2024 vorgesehen) eine österreichische Strategie zur Implementierung der Kreislaufwirtschaft erarbeitet und mittels klarer Teilziele, Prioritäten und Maßnahmen zur Umsetzung vorbereitet.

Der Prozess startete im Herbst 2020 mit einer Expert*innen-Befragung, deren Ergebnisse im März 2021 präsentiert wurden.

Für eine Transformation unseres linearen Wirtschaftssystems hin zur Kreislaufwirtschaft sind völlig neue technologische Ansätze, innovative Geschäftsmodelle, systemisches interdisziplinäres Denken, enge Vernetzung der Akteure und verbessertes Informationsmanagement notwendig. Forschung und Entwicklung sind hierbei ein wichtiges Fundament. Aus diesem Grund wurde im März – angelehnt an den Aktionsplan Kreislaufwirtschaft der EU – eine FTI-Initiative im Themenbereich Kreislaufwirtschaft starten, damit das Systemverständnis gestärkt wird und innovative Technologien auf den Weg gebracht werden. Die ÖGUT unterstützt das Klimaschutzministerium bei der strategischen Ausrichtung, u.a. in einem ersten Schritt bei der Konzeption des ersten Ausschreibung der neuen FTI-Initiative, die am 9. März 2021 präsentiert wurde.