
In 19 Jahren darf gemäß aktuellem Regierungsprogramm kein fossiles Erdgas mehr durch die Leitungen fließen. Was sind die Alternativen? Im dritten Teil der Serie über die Zukunft des Heizens in der Stadt geht es um Anergienetze, also den Zusammenschluss mehrerer Gebäude zu einem Verbund bei der Wärmeversorgung.
Der erste Teil der Serie dreht sich um Möglichkeiten zur fossilfreien Heizung
Im zweiten Teil beschreiben wir Voraussetzungen für Haussanierungen
Anergienetz – Gemeinsam ist es einfacher und billiger
Schließen sich mehrere Gebäude bei der Wärmeversorgung zu einem Verbund zusammen, können die Wärmequellen und Wärmespeicher gemeinsam genutzt und etwaige Wärmeüberschüsse für benachbarte Häuser verwendet werden.
Was ist Anergie?
Mit Anergie kann über eine Wärmepumpe Heizwärme oder Warmwasser erzeugt werden. Anergie kann z.B. die natürliche Wärme des Erdbodens, Grundwasser, die Außenluft oder die Abwärme aus Klimaanlagen sein. In Österreich hat der Erdboden ab einer Tiefe von 10 Metern ganzjährig ca. 12 Grad Celsius.
Was ist ein Anergienetz?
Ein Anergienetz für eine nachhaltige Heizung und Warmwassererzeugung besteht aus
- Wärmequellen (Solarkollektoren, Abwärme aus Kühlung),
- Wärmespeicher (Erdwärmesonden) und
- Wärmeverbraucher (angeschlossene Gebäude mit Wärmepumpen).
Die Anlagenteile werden mit einer einfachen Rohrleitung miteinander verbunden, durch die Wasser mit einer Temperatur von 4-20 Grad Celsius fließt. Das Wasser transportiert die Anergie und kann mit Hilfe der Wärmepumpe zum Heizen oder zum Kühlen verwendet werden.
Erdwärmesonden als Wärmespeicher
Bei der Errichtung von Erdwärmesonden wird mittels eines Bohrgerätes ein maximal 200 Meter tiefes Loch von 15 cm Durchmesser in das Erdreich gebohrt. In dieses Loch wird ein PE-Kunststoffschlauch U-förmig eingebracht und als Wärmetauscher verwendet. Das Bohrloch wird anschließend mit Spezialmörtel gefüllt. Das Wasser tritt mit 4-20 °C in die Erdwärmesonde ein und wird, je nach Jahreszeit, um 3-5 Grad erwärmt oder abgekühlt. Diese kleine Temperaturspreizung reicht für den Betrieb der Wärmepumpe aus, die die Temperatur auf das notwendige Niveau zum Heizen und zur Warmwassererzeugung anhebt. Die Anergienetze werden so dimensioniert, dass im Sommer die gleiche Menge an Wärme dem Boden zugeführt wie im Winter entnommen wird. Die Jahresdurchschnittstemperatur des Bodens bleibt somit unverändert.
Wenn das alle machen würden… geht das?
Dieser berechtigten Frage ist die ÖGUT gemeinsam mit der TU-Wien, der Geologischen Bundesanstalt und dem architekturbüro zeininger im Projekt AnergieUrban Stufe 1 nachgegangen. In zwei Testgebieten in Wien wurde untersucht, ob genug Platz für Erdwärmesonden und genug Wärmequellen zur jährlichen Regeneration der Sonden auch in der der dicht bebauten Stadt vorhanden sind, um ganze Stadtteile mit Anergienetzen zu versorgen.
Das Ergebnis: Auch in sehr dicht bebauten Stadtteilen wie z.B. dem Gebiet um den Brunnenmarkt im 16. Wiener Bezirk ist eine Wärmeversorgung (Heizung und Warmwasser) aller Gebäude durch Anergie möglich. Dabei können die Flächen der Innenhöfe und die Straßenflächen für Erdwärmesonden verwendet werden.
Anergienetz-Pilotprojekt „Smart Block Geblergasse“
Ein Gründerzeit-Häuserblock im 17. Wiener Bezirk hat bereits ein Anergienetz errichtet, die Startzelle von zwei Gebäuden ist seit Herbst 2019 in Betrieb. In den kommenden Jahren sollen sich schrittweise weitere Gebäude des Häuserblocks dem Anergienetz anschließen. Die hinzukommenden Gebäude bringen dabei jeweils ihre verfügbaren Wärmequellen (Solardächer, Abwärme im Sommer, Platz für Erdwärmesonden) mit ein.

Die Ersten zwei Gebäude werden durch Erdwärmesonden, welche im Innenhof errichtet wurden, geheizt. Die Sonden werden im Sommer durch die Abwärme der Kühlung der Wohnräume sowie durch thermische Solarkollektoren am Dach regeneriert, wodurch ein hohe Jahresarbeitszahl von 1:6 erreicht wird, das heißt: mit 1 kWh Strom können 6 kWh Wärme erzeugt werden. Die Leitungen wurden bereits an die Grundstücksgrenze gelegt, sodass sich später weitere Häuser anschließen können.
Die Umsetzung des Projektes wurde vom Architekturbüro zeininger architekten geleitet, die Heizanlage wurde von einem Contractor, der beyond carbon energy errichtet, die Haustechnikplanung in der Forschungsphase erfolgte durch das Haustechnikbüro Käferhaus.
Hier finden Sie weiterführende Informationen und Links zu diesem Projekt
Ausblick: Meilensteine bei der Ablöse von Erdgasheizungen
In Deutschland wurde Anfang 2021 eine CO2-Abgabe eingeführt. Diese liegt derzeit bei 25 Euro pro Tonne und wird bis 2025 auf 55 Euro/Tonne erhöht. Für eine durchschnittliche mit Erdgas beheizte Wohnung (Heizung und Warmwasser) bedeutet das dann Mehrkosten von ca. 100 Euro/Jahr. Die deutsche Bundesregierung hat sich Mitte Mai 2021 darauf geeinigt, dass 50 % dieser Mehrkosten von den Vermieter*innen bezahlt werden müssen.
Auf Ebene der EU wird intensiv über eine EU-weite CO2-Steuer diskutiert, im März 2021 fasste das EU-Parlament eine Entschließung für ein CO2-Grenzausgleichssystem. Damit sollen bestimmte Importe aus Ländern mit geringeren Klimaschutzstandards mit einer CO2-Abgabe versehen werden.
Aus heutiger Sicht ist die Umsetzung einer CO2-Abgabe in Österreich sehr wahrscheinlich. Damit werden nachhaltige Heizsysteme nicht nur aus Umweltgründen, sondern auch aus Kostengründen attraktiv.

AnergieUrban-Leuchttürme: Öffentliche Flächen für Erdwärmesonden geeignet?
Die ÖGUT arbeitet derzeit gerade an dem Forschungsprojekt AnergieUrban Leuchttürme, in dem die Rahmenbedingungen für die Nutzung von öffentlichen Flächen (Gehsteig, Parkierungsstreifen, Straßenfahrbahn) für Erdwärmesonden untersucht wird. In dem Forschungsprojekt werden drei Pilotprojekte beim Aufbau eines Anergienetzes unterstützt und die dabei gewonnenen Erfahrungen für darauffolgende Projekte dokumentiert.
Der erste Teil der Serie dreht sich um Möglichkeiten zur fossilfreien Heizung
Im zweiten Teil beschreiben wir Voraussetzungen für Haussanierungen