Die Taxonomie ist das Herzstück des EU-Aktionsplans für Nachhaltige Finanzen. Mit ihrer Hilfe soll definiert werden, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig gelten – und damit im Umkehrschluss welche nicht. Entsprechend umstritten ist das Thema innerhalb der EU: Atomkraft ja oder nein? Kann Erdgas als Übergangstechnologie als nachhaltig definiert werden? Im März 2020 veröffentlichte eine technische ExpertInnenkommission finale Empfehlungen für die EU-Kommission. Dieser Bericht ist gleichzeitig ein Leitfaden für zukünftige NutzerInnen der Taxonomie – ein aktueller Überblick von der Green-Finance-Expertin der ÖGUT, Katharina Muner-Sammer, aus dem Homeoffice.

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Seit Montag, 16. März ist es ruhig im frühlingshaften Wien. Nur ab und zu hört man die Sirenen der Rettungsautos in der Ferne. Büromenschen sitzen daheim, so wie ich auch. Neben mir knallt das Volksschulkind den Bleistift in die Ecke, weil eine Matheaufgabe unverständlich erscheint. Sein jüngerer Bruder tackert gerade alle verfügbaren Heftklammern in eine Unterlage aus dem Büro.

Dennoch steht keineswegs alles still. Auf EU-Ebene wird – wenn auch in anderer Form – weitergearbeitet. Derzeit laufen die Vorbereitungsarbeiten für die zweite „Ad hoc Working Group“ zur EU-Taxonomie für grüne Finanzprodukte. Diese Working Group hätte sich nächste Woche in Brüssel treffen sollen, um die Kriterien für ein EU-Ecolabel für Finanzprodukte zu diskutieren. Das EU-Ecolabel – die „Euroblume“ – ist ein EU-weites Label für Produkte und Dienstleistungen von Klopapier bis Hotellerie, das nun aber auch nachhaltige Anlageprodukte auszeichnen soll. Jetzt wird das Treffen als Webinar online stattfinden. Heute war ein Testbetrieb, es funktioniert gut. Wie viel CO2 und Kosten werden dadurch eingespart?

Damit die EU die Klimaziele erreicht, braucht es jedenfalls mehr – und die Finanzwirtschaft hat dabei eine Schlüsselfunktion inne.

Der EU Aktionsplan: Grünes Geld für grüne Investitionen

Für den Wandel in Richtung Nachhaltigkeit muss viel Geld investiert werden. Die OECD schätzt, dass jährlich rund 6,35 Billionen Euro nötig wären, um die Pariser Klimaziele 2030 zu erreichen. Das können die Staatskassen nicht alleine stemmen, es braucht private Investitionen. Aus diesen Erkenntnissen heraus ist der EU-Aktionsplan mit zehn Maßnahmen entstanden, um privates Kapital für nachhaltige Aktivitäten zu mobilisieren.

Unter diese Maßnahmen fällt sowohl die Einführung eines EU-Ecolabels für Finanzprodukte als auch die Einführung eines Klassifikationssystems für nachhaltige Tätigkeiten – der sogenannten Taxonomie. Die Taxonomie ist das Herzstück des EU-Aktionsplans. Mit ihrer Hilfe soll definiert werden, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig gelten. Dadurch soll Greenwashing vermieden werden.

EU-Taxonomie – ein Überblick

Was genau umfasst nun die Taxonomie und wie ist der Stand der Dinge? Die EU-Taxonomie-Verordnung (oder genauer: die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen) wurde im Dezember 2019 verabschiedet. Im März 2020 veröffentlichte nun eine technische ExpertInnenkommission einen Bericht mit finalen Empfehlungen für die EU-Kommission. Dieser Bericht ist gleichzeitig ein Leitfaden für zukünftige NutzerInnen der Taxonomie.

Die EU-Taxonomie definiert demnach nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten als solche, die

  • einen substanziellen Beitrag zu einem von sechs definierten Umweltzielen leisten; und
  • keinen signifikanten Schaden („do not significant harm“ (DNSH)) bei den anderen fünf verursachen; und
  • ein Mindestmaß an Schutzmaßnahmen erfüllen (z.B. die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte)

TEG (2020): Taxonomy: Final report of the technical Expert Group on Sustainable Finance, Seite 2.

Die sechs definierten Umweltziele sind: Klimaschutz, Klimawandelanpassung, Wasser, Kreislaufwirtschaft, Umweltverschmutzung und Ökosysteme. Derzeit besteht die Taxonomie nur für die Umweltziele Klimaschutz und Klimawandelanpassung. In Bezug auf das Umweltziel Klimaschutz werden demnach drei Arten von nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten genannt:

  1. „Own perfomance“ (near zero): eine wirtschaftliche Aktivität, die mit ihrer eigenen Leistung zum Klimaschutz beiträgt (z.B. Windenergieerzeuger);
  2. „Enabling“: eine wirtschaftliche Aktivität, die durch die Bereitstellung ihrer Tätigkeit einen Beitrag leistet (z.B. Erzeuger von Windkrafträdern) sowie
  3. „Transition“: wirtschaftliche Aktivitäten, die „klimafreundlicher“ produziert werden (z.B. Zementfabrik, die die CO2-Grenzwerte der Taxonomie einhält).

EU-Taxonomie in der Praxis: Wer muss was wann tun?

Nicht nur die Finanzwirtschaft wird sich mit der Taxonomie beschäftigen müssen, sondern auch die Realwirtschaft. Konkret betrifft die EU-Taxonomie erstens alle FinanzmarktakteurInnen, die Finanzprodukte in der EU anbieten (inkl. Pensionskassen), zweitens Unternehmen, die unter die CSR-Richtlinie fallen und drittens die EU selbst sowie die Mitgliedstaaten, wenn sie Standards oder Labels für grüne Finanzprodukte oder Green Bonds festlegen.

Unternehmen, die unter die CSR-Richtlinie fallen, müssen in ihrer „nichtfinanziellen Erklärung“ (bzw. Nachhaltigkeitsbericht) den Anteil des Umsatzes aus ökologischen nachhaltigen Aktivitäten (taxonomiekonform) angeben; weiters die Investitionen (Capex) und/oder Betriebskosten (Opex) der taxonomiekonformen Aktivitäten. Unternehmen werden im Laufe des Jahres 2022 zur Offenlegung verpflichtet werden.

Finanzmarktteilnehmer, die grüne bzw. nachhaltige Produkte in der EU anbieten, müssen den Anteil des Investments (Prozentsatz) und den Beitrag zum jeweiligen Umweltziel angeben, der taxonomiekonform ist. Finanzprodukte, die keinen Anspruch erheben, „grün“ bzw. nachhaltig zu sein, müssen darauf verweisen, dass sie sich nicht an der EU-Taxonomie orientieren. Bis zum 31. Dezember 2021 müssen sie ihre ersten Offenlegungen gemäß der Taxonomie vorlegen.

Wie aber konnten sich die EU-Mitgliedsstaaten nun beispielsweise darauf einigen, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als nachhaltig gelten? Teilweise leider noch gar nicht. Das Thema Nuklearenergie beispielsweise war und ist ein Streitpunkt. Nach derzeitigem Stand des ExpertInnen-Berichts gilt Atomstrom zwar nicht als nachhaltig, doch dies werde weiter geprüft.

Es gibt also noch weiterhin viel zu tun: auf regulatorischer Ebene, um die neuen Regeln für einen nachhaltigeren Finanzmarkt festzulegen. Und für Finanzmarkteure und Unternehmen, um diese Regeln zu befolgen und sich stärker in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten.

Die letzte Heftklammer ist getackert. Im kleinen Mikrokosmos Familie wird nach einer kulinarischen Versorgung verlangt. Abschließend nur zwei Gedanken: Die Klimakrise wird durch das Covid-Virus 19 nicht verschwinden, maximal verzögert. Und daher gilt es – trotz der absehbaren Finanz und Wirtschaftskrise – auch weiterhin die Geldströme in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken. Wir müssen, neben der derzeitigen Solidarität gegenüber älteren und chronisch kranken Menschen, auch gegenüber der jungen Generation solidarisch sein, für die Erhaltung eines lebenswerten Planeten.

EU-Taxonomie

Die Taxonomie ist das Herzstück des EU-Aktionsplans „Finanzierung Nachhaltigen Wachstums“. Mit ihrer Hilfe soll definiert werden, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig gelten – und welche eben nicht. Die EU-Taxonomie-Verordnung wurde im Dezember 2019 verabschiedet; im März 2020 wurde von einer technischen ExpertInnenkommission ein Bericht mit finalen Empfehlungen für die EU-Kommission veröffentlicht (inkl. Leitfaden für zukünftige NutzerInnen der Taxonomie (Taxonomy: Final report, 67 Seiten) / Taxonomy Report. Technical Annex, 591 Seiten)

Die Taxonomie beinhaltet sechs Umweltziele. Die Definitionen der nachhaltigen (taxonomiekonformen) Aktivitäten für die jeweiligen Umweltziele werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten verfügbar sein:

  1. Klimaschutz (Dezember 2019)
  2. Anpassung an den Klimawandel (Dezember 2019)
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen (bis Juli 2022)
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling (bis Juli 2021)
  5. Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung (bis Juli 2021)
  6. Schutz gesunder Ökosysteme (bis Juli 2022)

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