von Franziska Trebut

Eine großzügige Eingangshalle, zur Rechten Empfang mit Büro, dahinter in einem gläsernen Kubus die illustre Ansammlung von in Holz verbauten Waschmaschinen. Vor mir schwingt sich die Sichtbetontreppe, den Raum strukturierend, in Richtung Obergeschoß. Jenseits von ihr laden Sessel und Sofa zum Verweilen – lesen? – Stoff gäbe es im raumhohen Regal. Oder ab ins Café zu meiner Linken? Einige Tische sind bereits besetzt, die Service-Kraft dort bist Du selbst.

Hotel? Universität? Kulturzentrum? Wohnwelt?

Wohnprojekt Kalkbreite im Züricher Stadtteil Wiedikon. (c) Franziska Trebut

Wohnprojekt Kalkbreite im Züricher Stadtteil Wiedikon. (c) Franziska Trebut

Die Kalkbreite im Züricher Stadtteil Wiedikon – Wohnprojekt und Genossenschaft – ist Ausdruck der Lebenshaltungen ihrer ErrichterInnen und BewohnerInnen. Autolosigkeit, Beschränkung bei der Wohnfläche, selbstgewählte Teilhabe der Anderen am Eigentum: in der Kalkbreite ist spürbar, dass eine suffiziente Lebensform nicht Verzicht sondern Mehrwert bedeuten kann. Die Kalkbreite ist auf dem Weg zur 2000 Watt Gesellschaft.

Die Schweiz hat sich für das Jahr 2100 konkrete Ziele gesetzt: jeder Bewohner und jede Bewohnerin bleibt unter einem bestimmten ökologischen Fußabdruck – im Konkreten maximal 2000 Watt Dauerleistung und eine Tonne CO2-Emissionen pro Jahr. Die Schweiz hat damit den Schritt von flächenbezogenen auf personenbezogene Ziele vollzogen. Ein entsprechendes Planungs-, Bewertungs- und Controllingsystem für die Entwicklung und den Betrieb von neuen städtischen „Grätzln“ wurde entwickelt. Es berücksichtigt auf der quantitativen Ebene die graue Energie und den Betrieb von Gebäuden sowie die gebäudeinduzierte Mobilität. Auf der qualitativen Ebene bewertet es eine Vielzahl von Kriterien, die in der Kalkbreite gelebt werden.

Aktuell arbeitet die ÖGUT gemeinsam mit Partnerorganisationen aus Österreich und der Schweiz sowie nationalen Stakeholdern an der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein solches Grätzl-Bewertungssystem in Österreich implementiert werden könnte. Über das Programmmanagement für klimaaktiv bauen und sanieren ist die ÖGUT seit Jahren maßgeblich an der Entwicklung und Etablierung der klimaaktiv Gebäudestandards zur Planung und Bewertung nachhaltiger Gebäude beteiligt.

Wohnprojekt Kalkbreite im Züricher Stadtteil Wiedikon. (c) Franziska Trebut

Wohnprojekt Kalkbreite im Züricher Stadtteil Wiedikon. (c) Franziska Trebut

Schon wieder ein Bewertungssystem für Gebäude?

Nein, es handelt sich um ein Bewertungssysteme für Siedlungen – und eine Chance für Gebietskörperschaften, in einem sehr frühen Planungsstadium Kriterien und Standards für einen maßvollen Einsatz von Ressourcen (Energieerzeugung, Mobilität, Ver- und Entsorgung) festzulegen, die wiederum durch entsprechende Prozesse zur Qualitätssicherung verbindlich bis in die Nutzungsphase der Gebäude überführt werden.

Neu ist auch der personenbezogene statt des bisher üblichen flächenbezogenen Ansatzes – vereinfacht gesagt, jetzt macht es einen Unterschied, ob eine Person auf 40 m2 oder 80 m2 lebt.