von Claudia Dankl
Ende April 2016 haben mehr als 150 Regierungschefs in New York die Beschlüsse der COP21 in Paris mit ihrer Unterschrift besiegelt: Der globale Temperaturanstieg soll 2°, möglichst 1,5° Celsius, nicht übersteigen. Zur Klimakonferenz in Paris Ende 2015 ist Hans-Joachim Schellnhubers Buch „Selbstverbrennung“ erschienen, das die Folgen einer ungebremsten Erderwärmung aufzeigt. Der deutsche Klimaforscher und Politikberater rät, um jedes Zehntelgrad zu kämpfen. Erreicht werden kann dieses Ziel nur mit einer völligen Dekarbonisierung des Energiesystems. Wesentliche Anteile der weltweit vorhandenen Öl- und Gasreserven dürfen damit nicht mehr genutzt werden: „(…) leave crude oil in the soil, coal in the hole, tar sands in the land“, schreibt der nigerianische Dichter und Umweltschützer Nnimmo Bassey im Gedicht „I Will Not Dance To Your Beat“ (http://oilsandstruth.org/i-will-not-dance-your-beat-poem-nnimmo-bassey).
Um vorhandene Öl- und Kohlereserven tatsächlich nicht in Anspruch nehmen zu müssen, benötigt es enorme Anstrengungen, u.a. eine gute Kombination aus Energieeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energie. Immer mehr Menschen leben weltweit in den Städten, Städte spielen daher eine zentrale Rolle im Energie- und Klimaschutz: sie tragen stark zum Ausstoß von Treibhausgasen bei, ein Großteil der Energie und der Ressourcen wird in den Städten genutzt bzw. verbraucht. Oberstes Ziel der Stadtplanung und -politik sollte sein, den BewohnerInnen eine hohe Lebensqualität zu ermöglichen. Hohe Lebensqualität muss jedoch nicht mit hohem Energie- und Ressourcenverbrauch einhergehen.
Ein wichtiges Handlungsfeld im Hinblick auf Dekarbonisierungsstrategien ist eine energieorientierte Stadtplanung. Diese achtet auf einen ausgewogenen Nutzungsmix in der Flächenplanung: Durchmischung von Wohnen und Arbeiten, gleichzeitig das Angebot hochwertiger, wohnungsnaher Freiräume, Stadtbegrünung und eine gute Anbindung an die Infrastruktur. Infrastruktur umfasst dabei u.a. die Themenfelder Mobilität (z.B. die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die Anbindung an hochwertige Fuß- und Radwegverbindungen) und Energieversorgung (z.B. intelligente Strom- und Wärmenetze).
Auch gesetzliche Rahmenbedingungen sollten kritisch unter die Lupe genommen werden, damit technische und organisatorische Lösungen, die für die Entwicklung intelligenter Städte bereits zur Verfügung stehen, auch tatsächlich in der Breite umgesetzt werden können. Ein Beispiel dafür ist die dezentrale Einspeisung von PV-Strom, die derzeit in erster Linie für BesitzerInnen von Einfamilienhäusern im Hinblick auf Nutzungs-, Einspeise- bzw. Fördermöglichkeiten attraktiv ist. Für BewohnerInnen von Wohnhausanlagen wird es hier schon komplizierter.
Viele PolitikerInnen schöpfen ihre Handlungs- und Steuerungsmöglichkeiten nicht zur Gänze aus; ein Beispiel dafür ist der Anschlusszwang an Fernwärmenetze. In Dänemark gibt es im Neubau bereits seit 2013 ein Verbot für Ölheizungen. In Österreich geben die Bundesländer im Rahmen der Wohnbauförderung Anforderungen für Gebäude und deren Energieversorgung vor. Auch hier gibt es aus Sicht des Klimaschutzes positive Beispiele, wie z.B. in der Steiermark die verpflichtende Nutzung von Solarthermie im Neubau für die Warmwasserbereitung.

Attraktive wohnungsnahe Freiräume, ein Beispiel aus der Siedlung Västra Hamnen in Malmö (Foto: Claudia Dankl)
Auch Innovationen im Technologie- und Dienstleistungsbereich kommt eine wesentliche Rolle zu. In der Energie- und Gebäudeforschung zählt Österreich zu den Vorreitern: Seit 1999 suchen ForscherInnen und Unternehmen beispielsweise im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms „Haus der Zukunft“ nach klimafreundlichen Lösungen für Gebäude. Zahlreiche Demonstrationsgebäude zeigen, dass diese Lösungen auch in die Praxis umgesetzt werden. Im Rahmen von Monitoringprojekten wird geprüft, ob versprochene Ziele auch tatsächlich erreicht werden. Fortgeführt werden diese Bestrebungen derzeit u.a. in den Forschungsprogrammen „Stadt der Zukunft“ und Smart Cities Demo. Mit den Instrumenten der Austria Wirtschaftsservice aws können die Marktüberleitung bzw. Internationalisierung österreichischer Gebäude- und Energietechnologien unterstützt werden. Auch eine smarte öffentliche Beschaffung kann innovativen Technologien zu einem verstärkten Einsatz in der Praxis verhelfen. Für die kooperative Forschung, den Einsatz innovativer Technologien oder die Umsetzung von neuen Instrumenten braucht es engagierte Stakeholder in der Verwaltung und in den Unternehmen, denen aber oft die erforderlichen zeitlichen oder finanziellen Ressourcen zur Abkehr vom gewohnten Handeln nicht zur Verfügung stehen.
Und auch die Bereitschaft jedes und jeder Einzelnen, über den eigenen Horizont hinauszuschauen, ist notwendig. Haben Sie schon über Ihre persönliche Energiezukunft ohne CO2 nachgedacht?