von Volkmar Andreeff und Daniel Berger
Die Angst vor einem leeren Akku wirkt sich beim Kauf eines neuen Autos noch immer zum Nachteil für die Elektromobilität aus. Doch ist diese Angst berechtigt?
Wir haben die Frage untersucht, ob alltägliche Wege und auch weite Strecken (z.B. für Urlaubsreisen) mit den derzeit erzielbaren Reichweiten eines Elektroautos zu schaffen sind.
Untenstehende Grafik bietet eine Übersicht über die Reichweiten von aktuell am österreichischen Markt erhältlichen Fahrzeugen und über die Faktoren, die die Reichweite beeinflussen:

Wie hoch ist die Reichweite bei aktuellen Elektro-Fahrzeugen? Was beeinflusst die Reichweite? (eigene Berechnung mit topprodukte.at (05.08.2017). (c) Vecteezy.com; Designed by Volkmar Andreeff
Auffallend ist zunächst einmal die große Bandbreite zwischen 99 und 537 km Reichweite: Dies ist v.a. auf die enorme Reichweite der Tesla-Fahrzeuge zurückzuführen. Aus diesem Grund wurde statt der mittleren Reichweite, die durch diese „Flaggschiff-Modelle“ stark verzerrt wird, die mediane Reichweite für die weitere Betrachtung herangezogen – diese liegt bei 175 km.
Lassen sich nun mit einem Elektroauto von 175 km Reichweite die Alltagswege bewältigen? Die durchschnittlichen täglichen Fahrdistanzen für private (also ohne berufliche) Wege liegen lt. Statistik Austria zwischen 30,2 km (Wien) und 36,4 km (Burgenland), selbst im Burgenland käme man also fast fünf Tage ohne Aufladen über die Runden.

Durchschnittliche tägliche Fahrwege nach Bundesland (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnungen mit topprodukte.at-Daten (05.08.2017). (c) Vecteezy.com, wikipedia.org; Designed by Volkmar Andreeff
An diesem Punkt kommt das Argument ins Spiel, dass es sich um Durchschnittsdistanzen handelt und daher dennoch viele Fahrten nicht mit einer Aufladung bewältigt werden können. Stellt sich also die Frage: Wie viele Fahrten in Österreich erfolgen tatsächlich über eine längere Distanz?

Quelle: VCÖ „Vier von zehn Autofahrten der Österreicher sind kürzer als fünf Kilometer“. Vecteezy.com; Designed by Volkmar Andreeff
94 % der privaten Fahrten sind kürzer als 50 km und daher problemlos mit einem Elektroauto zurücklegbar, unter günstigen Bedingungen (Temperatur, Topographie,…) können sogar die Autos mit den geringsten Reichweiten (99 km) auch den Rückweg ohne zusätzliche Ladung bewältigen. Zu den restlichen 6 % der Fahrten gehören vor allem Urlaubsfahrten.
Wir haben eine Urlaubsfahrt von Wien nach Venedig mit verschiedenen Fahrzeugen bzw. Szenarien nachgestellt, sodass die Auswirkungen auf die Fahrtzeit dargestellt werden können:

Quelle: Eigene Berechnung mit Daten von topprodukte.at (05.08.2017), google maps und Angaben von e-tankstellen-finder.com. (c) wikipedia.org, Vecteezy.com; Designed by Volkmar Andreeff
Die ausgewerteten Szenarien mit Elektroautos haben folgende Erkenntnisse gebracht:
- Das Szenario „Durchschnittliches Elektroauto“ mit 175 km Reichweite verdeutlicht, wie viele Ladepausen auf dieser Distanz nötig sind. Dabei wurde das Smatrics Schnellladenetz berücksichtigt, das eine Ladeleistung von 43 bis 50 kW alle 60 km entlang der Autobahnen anbietet. Trotz dieser fortschrittlichen Ladeinfrastrukturmüssen hier rund eineinhalb Stunden Ladezeit in Österreich einkalkuliert werden. Außerhalb der Landesgrenzen erfolgt ein weiterer Ladevorgang mit einer geringeren Ladeleistung, der mit einer längeren Ladezeit einhergeht. Insgesamt muss hier mit einer Fahrtzeit von 5 Stunden 45 Minuten plus einer Ladezeit von mit 2 Stunden 30 Minuten gerechnet werden.
- Im Szenario „Elektro mit hoher Reichweite“ ist mit einer Reichweite von 537 km nur ein Ladevorgang notwendig ist. Daher entsteht bei der Fahrzeit nur ein Unterschied von ca. einer halben Stunde im Vergleich zu einem PKW mit Verbrennungsmotor.
- Im Szenario „PKW mit Verbrennungsmotor“ muss keine Pause eingelegt werden – abgesehen davon, dass ohnehin alle zwei Stunden eine Erholungspause gemacht werden sollte.
- Apropos Pausen: Das wohl interessanteste Szenario berücksichtigt 15minütige Pausen alle 2 Stunden. Die Dauer der Pausen reicht für die benötigten Ladevorgänge des Elektrofahrzeugs mit hoher Reichweite aus. Insofern ist die gesamte Fahrzeit mit einem herkömmlichen PKW mit der eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs bei Einhaltung der empfohlenen Pausen gleich lang.
Schlussfolgerung
- Die Reichweite eines Elektroautos ist für alltägliche Wege völlig ausreichend.
- Für weite Fahrten wie Urlaube oder Pendelverkehre zeigt sich, dass die bereits jetzt erhältlichen Elektrofahrzeuge der oberen Mittelklasse bzw. Luxusklasse ähnliche Bedingungen hinsichtlich der Fahrtdauer bieten wie herkömmliche PKW.
Die Entwicklungstrends bei Elektroautos gehen in Richtung Steigerung der Reichweiten, sinkende Preise und Verbesserung der Ladeinfrastruktur. Es ist daher abzusehen, dass künftig Reisen über lange Distanzen auch ohne zeitliche Abstriche möglich sein werden.
Das soll uns aber nicht daran hindern, Alternativen zu suchen. Z.B regionale Urlaubsziele auszuwählen oder sich in den Fern-/Nachtzug zu setzen und während der Anreise genüsslich zu lesen, die Landschaft zu betrachten und innerlich zu „entschleunigen“. Kinder müssen nicht stundenlang angeschnallt ausharren, sondern können sich im Zug frei bewegen oder sich auf ein Schläfchen zu Papa oder Mama kuscheln. Der Urlaub hat schon begonnen.
Gerald Zauner sagte:
Was hier völlig fehlt: Wenn es kalt ist, sowie bei uns das halbe Jahr: Die Reichweite sinkt auf ca. 60%, speziell wenn das Auto beim Laden im Freien steht und das Laden dauert doppelt so lang wie im Sommer. Damit scheidet ein Durchschnitts E-Auto wie der Zoe für Winterfahrten wie ins 100km entfernte Schigebiet aus…
Daniel Berger sagte:
Der Einfluss der Temperatur wird nur kurz zu beginn erwähnt das stimmt.
Aber die Entwicklung schreitet rasch voran und aktuelle E-Autos sind durchaus auch im Winter alltagstauglich. Auch der neue Renault ZOE siehe hier:
http://www.zeit.de/mobilitaet/2017-03/elektroauto-temperatur-reichweite-einfluss-renault-zoe-autobahn